Plenterwald – Ökologie und Ökonomie in seltenem Einklang

Naturnaher Waldbau? Am nächsten kommt diesem Ideal der sog. Plenterwald, eine Sonderform des Hochwaldes. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Stärkeklassen, vom Keimling bis zum Starkholz auf engem Raum nebeneinander vertreten sind. Im Plenterbetrieb gibt es keinen Kahlschlag, es werden immer nur einzelne, erntereife Stämme entnommen.



Charakteristika eines Plenterwaldes

Dauerhafter Hochwald, alle Altersklassen, alle Dimensionen: Ein klassischer Plenterwald ist gekennzeichnet durch eine Vegetation aller Wuchshöhen. Vom Keimling bis hin zum Jahrhunderte alten Baum sind aller Altersklassen und alle Stamm-Dimensionen vertreten. Bei einem noch jungen Mischwald ohne Starkholz, ohne alte Bäume also, spricht man nicht von einem Plenterwald, obwohl man auch in diesem Wald bereits das Plenterprinzip anwenden kann.

Permanente Bestockung: Anders als im Altersklassenwald, in dem irgendwann einmal die Ernte des Starkholzes ansteht und dann bestenfalls eine flächige Naturverjüngung bereit steht, weist ein Plenterwald jederzeit den in etwa gleichen Holzvorrat auf. Denn im Plenterwald wird immer nur der Zuwachs genutzt. Neben dem Holzvorrat bleibt auch die Waldstruktur und die Durchmesserverteilung im Grunde immer die gleiche.

Mischwald: Der Plenterwald benötigt Schatten-Baumarten wie (Rot-)Buche oder Weißtanne, die auch im Unterstand noch überleben können. Die Artenvielfalt eines Plenterwaldes ist deutlich reichhaltiger, als in den Altersklassewäldern, die meist von einer Baumart dominiert werden.

Ein Plenterwald ist Forst, kein Urwald: Ein Plenterwald ist zwar naturnah, da er sich stark an den Vorgängen in einem Urwald anlehnt, aber dennoch handelt es sich um keine natürliche Waldform. Ein strukturierter Plenterwald stellt sich nicht spontan ein, sondern bedarf einer sehr aufmerksamen Behandlung. Die Bewirtschaftung, das „Plentern“ bedeutet immer auch einen Eingriff. Allerdings versucht man die Störung durch die Plenternutzung so gering wie möglich zu halten.

Plentergleichgewicht: Ein Plenterwald muss durch eine regelmäßige Nutzung des Zuwachses im Bereich seines Gleich­gewichtsvorrates gehalten werden. Ziel ist es, das immer gleich viele Bäume in einer Durch­messerklasse vorhanden sind. Wachsen Bäume in eine höhere Durchmesserklasse hinein, sollten genau so viele Bäume aus der Durchmesserklasse wieder hinauswachsen, entnommen werden, oder absterben.

Plenterwald – Ökologie und Ökonomie in seltenem Einklang

Da der Plenterwald dem Urwald trotz Bewirtschaftung am nächsten kommt, liegt es auf der Hand, dass die ökologische Bilanz im Plenterwald ausgezeichnet ausfällt. Erstaunlicherweise muss der ökologische Gewinn nicht zwangsläufig das ökonomische Ergebnis belasten. Denn bei sorgfältiger Vorgehensweise und fairer Betrachtung sind die Erträge in einem Plenterwald  denen in einem Altersklassewald mindestens ebenbürtig.

Weniger Hauruck, mehr Stetigkeit: Wenn ein Fichtenforst mit 80-100 Jahren die Umtriebsphase erreicht, fließt das Geld. Die hohen Erträge bei der Ernte von Langholz lassen den Waldbesitzer gerne die lange Durststrecke vergessen, die seine Vorfahren bzw. die Vorbesitzer des Waldes durchgemacht haben. Pflanzung, Jungbestandspflege, Schwachholz-Durchforstungen – Jahrzehnte mit viel Arbeit aber ohne nennenswerte Erträge. Bei der Plenternutzung fließen die Erträge hingegen stetig und bis zum berühmten Sankt-Nimmerleins-Tag. Per Definition handelt es sich um einen Dauerwald. Befindet sich der Wald im Plentergleichgewicht, entnimmt der Waldbesitzer alle zwei bis drei Jahre genau den Zuwachs in Form von preislich und aufwandstechnisch attraktivem Starkholz.

Keine Pflanzung, keine Pflegeeingriffe: Befindet sich ein Plenterwald im Gleichgewicht, ist keinerlei Pflanzung notwendig. Das übernimmt die Natur, die ohnehin viel besser weiß, was auf einem Standort am besten gedeiht. Auch müssen keine Pflegeeingriffe durchgeführt werden. Bei Laubwäldern sind die Pflegeeingriffe in jungen Jahren ohnehin nicht nötig, bei Nadelwäldern sind sie aus Gründen der Stabilität dringend angeraten. Da es sich beim Plenterwald allerdings um Mischwald handelt, tut man dem Plenterwald nichts Gutes, wenn man Schwachholz mit der Motorsäge zu Leibe rückt.

Gesund & stabil = geringe Schadanfälligkeit: Ein Mischwald als dauerhafter Hochwald ist weniger schadanfällig als beispielsweise ein Fichtenwald. Die Bewirtschaftung eines Plenterwaldes weist keine größere Störung auf. Durch seine heterogene Struktur ist der Plenterwald gegen Angriffe durch Wind, Schnee, Kalamitäten etc. relativ gut geschützt. Der Waldbesitzer legt eben nicht „alle Eier in einen Korb“. Sollte tatsächlich einmal eine Baumart durch Schädlingsbefall unter Druck geraten, erwischt es nicht gleich den ganzen Bestand. Ebenso ist nicht zu erwarten, dass ein Orkan gleich den ganzen Forst flach legt und man sich dann um die limitierten Aufarbeitungs-Kapazitäten schlagen muss bzw. sein teuer aufgearbeitetes Holz zu historischen Tiefstpreisen verschleudern muss.

Gradschaftiges, feinringiges, feinastiges Holz: Die jungen Bäume wachsen im Schatten der großen Bäume auf. Das zwingt sie zu einem schönen geraden Wuchs, da sie sich zum Licht strecken müssen um zu überleben. Zudem entwickeln sich durch die gegenseitige Beschattung kaum dicke Seitenäste. Das langsame Wachstum kann auch an den engen Jahresringen abgelesen werden. Von Feinringigkeit spricht man, wenn man auf 1 cm mindestens 6 Jahresringe findet. Feinringiges bzw. engringiges Holz ist besonders fest und daher ein Qualitätskriterium innerhalb der Holzsortierung. Zudem ist engringiges Holz besonders gut gegen Pilzbefall geschützt. Ein Plenterwald bringt also Starkholz in guter Holz-Qualität hervor. Garant für höchste Erträge.

Ideales Kleinklima, guter Humus: Im Dämmerlicht eines Urwald-nahen Plenterwaldes bildet sich ein besonders wertvoller Humus, der zu keinem Zeitpunkt Gefahr läuft, von der Sonne aufgezehrt, oder vom Regen weggeschwemmt zu werden. Wenn im Hochsommer der heiße Wind außerhalb des Waldes alles austrocknet, wirken die sich in allen Höhenschichten befindlichen Blätter als effektive Windbremse. In Verbindung mit dem ständig beschatteten Boden eines Plenterwaldes ist die Wasserspeicherfähigkeit der Humusschicht exzellent. Schattiger Waldboden, speicherfähiger Humus, geringe Windaustrockung – all das führt dazu, dass die Feuchtigkeit im Wald bleibt und das Bestandsklima jederzeit ideal kühlfeucht ist. Kein Wirtschaftswald ist besser auf klimatische Veränderungen vorbereitet, als der Plenterwald.

Wie überführt man seinen Altersklassenwald in einen Plenterwald?

Geduld: Die klare Antwort auf die Frage „wie wandelt man seinen Wald in einen Plenterwald?“ lautet: mit der Hilfe seiner Enkel. Das Herstellen des Plentergleichgewichts aus einem einschichtigen Bestand erfordert eine zielgerichtete forstliche Tätigkeit über mehrere Menschengenerationen hinweg. Wer sich entscheidet, seinen Forst in einen Plenterwald zu überführen, sollte also einiges an Geduld mitbringen und seine Kinder am besten schon früh mit dem „Wald-Virus“ infizieren, damit diese das Erbe weiter führen.

Zurückhaltung: Für die meisten Waldbesitzer ist es fast unerträglich, dass es in einem Plenterwald fast nichts zu tun gibt. Die Motorsäge kommt so gut wie gar nicht zum Einsatz, da nur Starkholz geerntet wird. Alle Jahre wieder werden bei der Plenternutzung nur wenige Stämme selektiert. Das wars. Das einzige, was es darüber hinaus für den Waldbesitzer zu tun gibt, wäre den „Verurwaldungs-Prozess“ durch Buchenvoranbau zu fördern, bzw. den Jungwuchs gegen die überhöhten Wildbestände zu verteidigen.

Dicke und Kranke raus, aber Finger weg vom Jungwuchs: Grundsätzlich ist ein Umdenken bei den gewohnten Durchforstungsprinzipien notwendig. Im Plenterwald werden nur noch wenige Bäume entnommen. Ab der Entscheidung zum Plentern nur noch die dicksten Stämme sowie offensichtlich kranke Bäume mit Faulstellen bzw. Kernfäule oder schütter werdenden Kronen. Der Jungwuchs wird hingegen zukünftig vollkommen in Ruhe gelassen.

Lichtsteuerung: Der nun nach dem Plenterprinzip bewirtschaftete Wald wird nur zum Plentergleichgewicht finden, wenn das Lichtangebot in den tieferen Waldschichten knapp gehalten wird. Dadurch verbieten sich größere, flächige Durchforstungseingriffe. Die Steuerung des Lichts erfolgt alleine durch den Aushieb von Starkholz.

Buchenvoranbau: Wer seinen Nadelholzforst in einen Plenter-/Mischwald umwandeln möchte, kann mit der Pflanzung von Buchen nachhelfen. Zwar sollte generell die Naturverjüngung gegenüber der Pflanzung Priorität haben, aber in vielen Nadelwäldern wird sich eine Buchen-Naturverjüngung kaum einstellen. Der Voranbau von Buche unter dem Fichtenschirm ist aber eine altbewährte Methode. Junge Buchen können den Waldbestand unter dem Schirm älterer Fichten sehr gut verjüngen, denn die Schattentoleranz der Buchenjungpflanzen ist ausgezeichnet. Beim Pflanzen der Buche sollte aber unbedingt darauf geachtet werden, dass die Jungpflanzen nicht zu nahe an Altfichten gesetzt werden, denn ansonsten besteht in den heissen Sommermonaten die Gefahr des Trockenstresses, wenn die alten Fichten den Boden „trocken saugen“. Eine Pflanzung in Bereichen mit Staunässe oder Wechselfeuchte (Hochwasser) ist ebenfalls nicht sinnvoll.

Kein rasches Wachstum: Prinzipiell können junge Buchen unter dem Schirm der Altbäume sogar in tiefem Schatten wachsen. Aber durch das nur spärliche Lichtangebot wachsen Jungpflanzen im Plenterwald anders heran, als ihre Freiflächen-Kollegen. Unter Schirm weist die Buche ein größeres Höhenwachstum auf, das Durchmesserwachstum ist hingegen deutlich geringer als unter Freiflächenbedingungen. Während diese Konstellation bei der Fichte zu völlig instabilen Bäumen führen würde, ist dieses langsame Wachstum bei der Buche durchaus sinnvoll, denn der Lichteinfall beeinflusst nicht nur das Wachstum, sondern auch die Qualität der eingebrachten Buchenpflanzen. Mit engen Jahresringen und dicht gewachsenem Holz ist die Buche resistenter gegenüber Pilzen und anderen Schädlingen. Die sich zum Licht reckenden Buchen haben meist gerade und astfreie Schäfte, Vorbedingung für später einmal wertvolles Sägeholz, vielleicht sogar Wertholz (z.B. für die Furnier- oder Parkettproduktion). Die Buchen wachsen erst dann „ins Holz“, wenn Sie irgendwann einmal ans Licht geraten. Sei es, weil ein alter, mächtiger Nachbarbaum entnommen wurde, sei es, weil sie sich endlich über Jahrzehnte hinweg zum Walddach empor gearbeitet haben.

Weiterführende Literatur zum Plenterwald

Peter Wohlleben Mein Wald Buch
Buch von Peter Wohlleben: Mein Wald – nachhaltig, sanft, wirtschaftlich

Peter Wohlleben: Wer an der Idee des Plenterbetriebes Gefallen gefunden hat, aber noch mehr Information möchte, stößt schnell auf die Bücher von Peter Wohlleben. Er ist so etwas wie das „Enfant Terrible“ der deutschen Förster. Wie entschlossen er bereit ist neue Wege zu gehen, zeigt alleine schon die Kündigung seiner Beamtenstelle auf Lebenszeit bei der Forstverwaltung. Inzwischen ist er bei der Eifelgemeinde Hümmel angestellt und betreut die umliegenden Wälder auf seine ganz eigene Art. Man könnte Wohlleben als „BWL-Öko“ bezeichnen, denn er versucht in den von ihm betreuten Eifelwäldern Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen. Sein Revier ist heute eines der wenigen, das konsequent den Weg zurück zu urwaldähnlichen Laubwäldern beschreitet – und trotzdem schwarze Zahlen schreibt. Pferde statt Holzerntemaschinen, Buchen statt Fichten, völliger Verzicht auf Chemieeinsatz, keine Kahlschläge mehr und insbesondere Plenternutzung.

Buch „Mein Wald“: Wohlleben neuestes Buch – „Mein Wald – nachhaltig sanft wirtschaftlich“ ist ein glühendes Plädoyer für den Plenterwald. Er ermutigt insbesondere den privaten Waldbesitzer zum Umdenken. Auf 240 Seiten wird Wohlleben nicht müde, die ökologischen und ökonomischen Vorzüge des Plenterns anzupreisen. Die Vorteilhaftigkeit des Plenterwaldes stellt er aber auch heraus, indem er die Risiken der aktuellen Forstwirtschaft in Form von naturfernen, labilen Wäldern recht plastisch verdeutlicht. Er lässt zudem nicht den geringsten Zweifel daran, was er von Nadelholz-Monokulturen, Altersklassewäldern, Kahlschlägen und bodenverdichtenden Ernte- und Rückemaschinen hält. In diesem Zusammenhang bekommt auch das bestehende System der Forstwissenschaften, Forstbehörden, industriell arbeitenden Einschlagunternehmen und nicht zuletzt der Jägerschaft ihr Fett weg. Das ist zuweilen schon fast ein wenig „too much“, und der Leser will nicht wirklich jedes seiner Argumente kaufen, aber in der Sache hat Wohlleben absolut recht. Sehr lesenswert!